Der Globale Rechtsindex des IGB 2024

Seit mittlerweile elf Jahren
berichtet der Globale Rechtsindex über den weltweiten Kampf für die Verteidigung und Wahrnehmung wesentlicher Säulen der Demokratie: die Grundrechte und -freiheiten arbeitender Menschen und Gewerkschaften.
Wie der Index zeigt, deutet einiges darauf hin, dass Regierungen und Unternehmen diese Grundrechte, die das Wesen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ausmachen, immer öfter mit Füßen treten.

In einer Zeit, in der arbeitende Menschen weltweit zunehmend vor unmöglichen täglichen Entscheidungen stehen, etwa ob sie ihren Kindern etwas zu essen oder etwas zum Anziehen geben sollen, werden sie von ihren Regierungen und Spitzenpolitikern im Stich gelassen. Während Millionen Haushalte mit knappen Einkommen und einer hartnäckigen Lebenshaltungskostenkrise kämpfen, wird das Recht der Beschäftigten auf die kollektive Forderung nach gerechteren Löhnen oder auf die legale Wahrnehmung ihres Streikrechts von der Politik und von Unternehmen aktiv eingeschränkt.

Da die wiederholten Forderungen nach angemessenen Löhnen und Arbeitsbedingungen ungehört verhallen und die Regierungen das Streikrecht und das Recht auf Tarifverhandlungen mit der Brechstange angreifen, schwindet das Vertrauen der Beschäftigten in die Demokratie. Im Vorfeld der Wahlen, zu denen in diesem Jahr weltweit vier Milliarden Menschen aufgerufen sind, suchen rechtsgerichtete autoritäre Kräfte nach Sündenböcken und treiben ihre eigene arbeitnehmerfeindliche Agenda voran, die sie nach den Wahlen durchsetzen wollen. Die Demokratie steht auf dem Spiel.

In nahezu neun von zehn Ländern weltweit wurde das Streikrecht verletzt. Acht von zehn Ländern verweigerten den Beschäftigten das Recht auf Tarifverhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen. Dass dieses Jahr in 49 Prozent der Länder Gewerkschaftsmitglieder willkürlich verhaftet oder inhaftiert wurden, ist eine äußerst besorgniserregende Entwicklung (gegenüber 46 Prozent im Jahr 2023). In mehr als vier von zehn Ländern wurde die Rede- oder Versammlungsfreiheit verweigert oder behindert.

Angesichts dieser Zahlen und Trends wird deutlich, dass die hart erkämpften demokratischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten weltweit massiv und unerbittlich angegriffen werden. Aus diesem Grund hat der IGB in diesem Jahr seine Kampagne Für Demokratie gestartet, um die Rechte und Freiheiten zu unterstützen, die alle Menschen ohne Angst vor Verfolgung oder Unterdrückung genießen sollten.

Arbeitnehmerrechtsverletzungen im Jahr
2024
Das Recht auf Rede- und Versammlungsfreiheit wurde in 43% der Länder eingeschränkt, eine Zunahme gegenüber 42% im Jahr 2023.

In der Praxis wurde in 65 der 151 untersuchten Länder gegen dieses Recht verstoßen, ein Anstieg um 29 Länder seit der Einführung des Index im Jahr 2014.

In Argentinien kam es zu Massendemonstrationen als Reaktion auf die Versuche von Präsident Javier Milei, Straßenproteste als Teil der harten Sparmaßnahmen zu kriminalisieren, und in Simbabwe wurde ein Gesetz eingeführt, das die Forderung nach Wirtschaftssanktionen gegen das Land rechtswidrig macht.

Israel
Credit: Luis Robayo / AFP

Three major union federations, the CGT, the CTA-T, and the CTA-A, united to stand against the serious threat to civil liberties and other basic rights posed by the government of Javier Milei in Argentina.

74% der Länder haben die Zulassung von Gewerkschaften behindert. Im Jahr 2023 waren es noch 73%.

In Ägypten ist die Zahl der unabhängigen Gewerkschaften seit 2018, als alle unabhängigen Gewerkschaften aufgelöst wurden, von 1.500 auf schätzungsweise 150 zurückgegangen, und die Behörden haben bei dem Versuch, eine Gewerkschaft zuzulassen, häufig absurde Hindernisse in den Weg gelegt.

Korea
Credit: Chris Jung / NurPhoto via AFP - KCTU

The Republic of Korea was one of 151 countries that violated the right to trade union activities. Trade union official Yang Hoe-Dong died after setting himself on fire to protest the ongoing harassment of trade unionists by government authorities.

In 74 Ländern wurden Beschäftigte festgenommen oder inhaftiert, ein sprunghafter Anstieg gegenüber 69 Ländern im Jahr 2023.

In Myanmar haben die Militärbehörden einen Gewerkschaftsführer entführt und fünf Monate lang in Isolationshaft festgehalten, bevor er - ohne Rechtsbeistand - wegen Terrorismus verurteilt wurde.

Myanmar
Credit: STR / AFP

Relatives await the release of imprisoned family members in an annual amnesty organised by Myanmar’s junta to mark the new year celebrations in the country. Since the military coup in 2021, trade unionists are arrested, detained and many have been forced into exile by the brutal military regime.

Das Streikrecht wurde in 87% der Länder verletzt, unverändert gegenüber 2023.

In Kambodscha wurden neun führende Gewerkschaftsvertreter*innen strafrechtlich verfolgt, weil sie sich an einem friedlichen Streik gegen die Zerschlagung von Gewerkschaften in einem Kasino beteiligt hatten, und in Frankreich wurden Massenproteste gegen die geplante Rentenreform von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen.

France
Credit: Sebastien Bozon / AFP

France was one of 131 countries that violated the right to strike by prosecuting trade union members who took part in last year’s mass protests against changes to the pension laws.

In 75% der Länder wurde Beschäftigten das Recht auf die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften verweigert, eine geringfügige Verbesserung gegenüber 2023, als Beschäftigte in 77% der Länder von diesem Grundrecht ausgeschlossen waren.

In den meisten Ländern ist die Situation nach wie vor kritisch. In Marokko konnten Richter Gewerkschaften weder gründen noch beitreten. In Ruanda war es dem Sicherheitspersonal nicht gestattet, sich gewerkschaftlich zu organisieren, und in Japan waren Feuerwehrleute, Gefängnispersonal und die Küstenwache per Gesetz von diesem Recht ausgeschlossen.

Japan
Credit: Yuichi Yamazaki / AFP

In Japan, firefighters are excluded from joining a trade union, which violates the right to freedom of association.

Wie bereits im Jahr 2023 haben 79% der Länder das Tarifverhandlungsrecht verletzt.

In Sri Lanka hat die Regierung vier Gewerkschaften aus dem neu konstituierten dreigliedrigen Nationalen Ausschuss für Arbeitsfragen ausgeschlossen, wodurch es die Arbeitgeber wesentlich leichter haben, auf Arbeitsrechtsreformen in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen.

Democratic Republic of Congo
Credit: Elsa Biyick / Hans Lucas via AFP

In the Democratic Republic of Congo, companies used subcontracting as a strategy to avoid collective bargaining and having to deliver fair conditions to workers.

Wie im Jahr 2023 hatten Beschäftigte in 65% der Länder nur begrenzt oder überhaupt keinen Zugang zur Justiz.

Ein besonders drastisches Beispiel: Der Oberste Gerichtshof Nordmazedoniens hat die Immobilie des mazedonischen Gewerkschaftsbundes CCM auf den Staat übertragen und somit die gewaltsame Aneignung von Gewerkschaftseigentum legitimiert.

Madagascar
Credit: Mamyrael / AFP

Madagascar was one of 99 countries in which workers had no or reduced access to justice.

In 44 Ländern wurden Beschäftigte in irgendeiner Form gewaltsam angegriffen.

In Kenia wurde ein friedlicher Protest in Nairobi gewaltsam von der Polizei aufgelöst. Bei diesem war gefordert worden, dass Ärztinnen und Ärzte im Praktikum eine Stelle erhalten sollten, nachdem der Einstellungsprozess erheblich in die Länge gezogen worden war. In Panama wurden die Büros einer Gewerkschaft, die Protestaktionen gegen ein Bergbauprojekt organisiert hatte, in Brand gesetzt. In sechs Ländern haben Gewerkschaftsmitglieder und Beschäftigte durch Gewalt oder Mord ihr Leben verloren: Bangladesch, Kolumbien, Guatemala, Honduras, Philippinen und Republik Korea.

Sri Lanka
Credit: Thilina Kaluthotage / NURPHOTO via AFP

Workers faced violence when they tried to organise and demand better conditions in 44 countries, including in Sri Lanka.

Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen im Jahr 2024

Der Globale Rechtsindex des IGB bewertet die einzelnen Länder jedes Jahr anhand ihrer jeweiligen Einhaltung kollektiver Arbeitnehmerrechte und dokumentiert Verletzungen international anerkannter Rechte durch Regierungen und Arbeitgeber.

Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen sind im Jahr 2024 Ägypten, Bangladesch, Belarus, Ecuador, Eswatini, Guatemala, Myanmar, die Philippinen, Tunesien und die Türkei.

Länderspezifische Analyse: veränderte Ratings

Die Russische Föderation und die Ukraine wurden 2024 wieder in den Index aufgenommen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs werden die Rechte arbeitender Menschen in beiden Ländern weiterhin eingeschränkt. In den letzten beiden Jahren hat die Russische Föderation grundlegende Rechte und Freiheiten begrenzt, auch in den besetzten Gebieten der Ukraine, und die Ukraine hat eine Reihe regressiver Notstandsgesetze eingeführt, mit denen Arbeitnehmerrechte eingeschränkt werden.

Dreizehn Länder haben im Jahr 2024 ein schlechteres Rating erhalten: Costa Rica, Finnland, Israel, Kirgisistan, Madagaskar, Mexiko, Nigeria, Katar, Russische Föderation, Saudi-Arabien, Sudan, Schweiz und Venezuela.

Nur zwei Länder konnten ihr Rating verbessern: Brasilien und Rumänien.

Romania
Credit: Mihai Barbu / AFP

Romania’s rating improved from 4 to 3 as the government restored basic, universal rights. The right to strike has been extended and collective bargaining is now obligatory in companies with more than 10 employees.

Finland
Credit: Vesa Moilanen / Lehtikuva via AFP

Finland lost its top-tier Index rating as right-wing Prime Minister Petteri Orpo’s coalition proposed reforms that would severely undermine workers’ and civil rights.

Mexico
Credit: Eyepix / NurPhoto via AFP

The arbitrary arrest and prosecution of trade unionists have led to Mexico’s rating dropping to 4.

Nigeria
Credit: Kola Sulaimon / AFP

Nigeria’s rating fell to 5 due to trade unions and their members being subjected to repeated interference from state authorities since the presidential elections in February 2023.

Regionaler Überblick
Naher Osten und Nordafrika

Die Region Nahost/Nordafrika bleibt mit einem durchschnittlichen Rating von 4,74, eine deutliche und anhaltende Verschlechterung gegenüber 4,53 im Jahr 2023, die weltweit schlechteste, was die Arbeitnehmerrechte anbelangt. In jedem einzelnen Land dieser Region wurde Beschäftigten das Recht auf die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften versagt, das Recht auf Tarifverhandlungen verletzt und die Zulassung von Gewerkschaften behindert. Insgesamt 95% aller Länder in der Region Nahost/Nordafrika haben das Streikrecht verletzt.

In diesem Jahr haben sich die Ratings von Israel, Katar und Saudi-Arabien verschlechtert.

Die Region war durch Konflikte und den damit einhergehenden Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit gelähmt. Unter diesen katastrophalen Bedingungen war es in Libyen, Palästina, Syrien und Jemen nicht möglich, elementarste Arbeitnehmerrechte zu garantieren.

Qatar
Credit: Marwan Naamani / AFP

Middle East and North Africa remains the worst region in the world for working people with a rating of 4.74. Qatar has thus far failed to deliver on its commitments to improve conditions for migrant workers. Although migrant workers are supposedly able to freely move between jobs, according to the ILO, a third of more than a million requests to do so were rejected between September 2020 and October 2023.

Asien/Pazifik

Mit einem durchschnittlichen Rating von 4,13, eine geringfügige Verbesserung gegenüber 2023, ist Asien/Pazifik nach wie vor die zweitschlechteste Region in Bezug auf Arbeitnehmerrechte. In etwa neun von zehn Ländern der Region wurde den Beschäftigten das Recht auf die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften verwehrt, das Streikrecht verletzt und die Zulassung von Gewerkschaften behindert.

Regelmäßig wurden führende Gewerkschaftsmitglieder in der gesamten Region verfolgt oder schikaniert. In Kambodscha, Iran und Myanmar wurden Gewerkschaftsmitglieder verhaftet und unter fadenscheinigen Anschuldigungen zu hohen Strafen verurteilt. In Bangladesch gingen die Behörden gewaltsam gegen Streiks vor, während die Regierung der Republik Korea Gewerkschaften erneut durch die unrechtmäßige Einschaltung der Staatsanwaltschaft und die Kriminalisierung von Gewerkschaftsaktivitäten ins Visier nahm. Proteste wurden von der Polizei systematisch niedergeschlagen, Gewerkschaftsmitglieder wurden verprügelt. Drei Jahre nach dem Militärputsch von 2021 ging die Junta in Myanmar auch weiterhin hart gegen die unabhängige Gewerkschaftsbewegung vor.

In Indonesien haben sich die Gewerkschaften gegen das berüchtigte Artikelgesetz gewehrt. Dieses hebt den Mindestlohnschutz für fast alle indonesischen Beschäftigten auf und befreit Kleinst- und Kleinunternehmen von der Verpflichtung, Tarifverhandlungen zu führen, in einem Land, in dem rund 97 Prozent der Erwerbstätigen in Kleinst-, Klein- oder mittelgroßen Unternehmen beschäftigt sind.

In Afghanistan herrscht nach wie vor eine tiefgreifende humanitäre Krise, die sich stark auf das Leben und die Perspektiven der Beschäftigten auswirkt. Die ILO geht davon aus, dass seit der Rückkehr der Taliban an die Macht im August 2021 innerhalb eines Jahres mehr als 900.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Betroffen waren vor allem junge und weibliche Beschäftigte: Frauen dürfen nicht mehr arbeiten.

Asia-Pacific
Credit: Jung Yeon-je / AFP

Asia-Pacific is one of the worst regions for working people, with an average rating of 4.13. May Day protests called for workers’ rights to be respected in the Republic of Korea, where trade unions face systematic persecution and harassment, including through vexatious litigation.

Afrika

In Afrika blieben die Bedingungen für Beschäftigte und Gewerkschaften mit einem durchschnittlichen Rating von 3,88 gegenüber dem Jahr 2023 weitgehend unverändert. Mehr als 90% der Länder in der Region haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen und das Recht auf Tarifverhandlungen und das Streikrecht verletzt.

In diesem Jahr haben sich die Ratings von Madagaskar, Nigeria und dem Sudan verschlechtert.

In Volkswirtschaften, die weitgehend vom informellen Sektor bestimmt werden (87% aller Arbeitsplätze in Subsahara-Afrika), wurden die Beschäftigten systematisch von arbeitsrechtlichen Schutzmaßnahmen ausgeschlossen, und sie konnten ihr Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nicht wahrnehmen.

Eklatante Beispiele für Gewerkschaftsfeindlichkeit gab es in Guinea und Madagaskar. In Burkina Faso und Kamerun wurden streikende Beschäftigte bedroht und entlassen, und in Kenia und Südafrika ging die Polizei gewaltsam gegen Streikende vor.

In Burundi waren die bürgerlichen Freiheiten stark eingeschränkt. Die Regierungspartei hat ihre Kontrolle weiter ausgebaut und die politische Opposition immer weiter geschwächt bzw. zerschlagen. Die Zentralafrikanische Republik, Somalia und der Sudan waren weiterhin stark von Konflikten und humanitären Krisen belastet, wodurch der Zugang zu Existenzgrundlagen und die Arbeitsbedingungen erheblich untergraben wurden.

Im Südsudan haben sich die Menschenrechtslage und die humanitäre Situation aufgrund des anhaltenden Konflikts weiter verschlechtert, und die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wurden seit August 2023 nicht mehr bezahlt.

Auch die jüngsten Putsche in westafrikanischen Ländern haben Gewerkschaftsaktivitäten und bürgerliche Freiheiten stark beeinträchtigt. In Burkina Faso wurde beispielsweise der dreigliedrige soziale Dialog seit der Abschaffung des Hohen Rates für den sozialen Dialog ausgesetzt. Im Tschad und in Gabun hat das Militärregime Streiks und Proteste unterbunden, so dass die Gewerkschaften nicht mehr ungehindert arbeiten können.

Africa
Credit: Tony Karumba / AFP

The Africa region had an average rating of 3.88, with trade unions continuing to be faced with violent repression. In Nairobi, a peaceful protest by the Kenya Medical Practitioners, Pharmacists and Dentists Union (KMPDU) was violently disrupted by police.

Gesamtamerika

Obwohl das durchschnittliche Rating Gesamtamerikas mit 3,56 weitgehend unverändert blieb, war die Region mit 16 Morden im Zeitraum 2023-2024 nach wie vor die tödlichste für arbeitende Menschen und Gewerkschaftsmitglieder. In fast 90% der Länder der Region wurde das Streikrecht verletzt und die Zulassung von Gewerkschaften behindert.

Während sich das Rating Brasiliens unter der Regierung Lula verbessert hat, gab es in Costa Rica, Mexiko und Venezuela eine Verschlechterung.

In Kolumbien, Ecuador, Guatemala und Honduras erhielten Gewerkschafter und Beschäftigte Morddrohungen, wurden angegriffen und gezielt ermordet. Ausbeuterische Arbeitgeber gingen in Costa Rica, Honduras und Panama insbesondere in Branchen, in denen die Beschäftigten ohnehin missbräuchlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt waren, gegen Gewerkschaften vor. Willkürliche Verhaftungen und die strafrechtliche Verfolgung von Gewerkschaftsmitgliedern mit dem Ziel, die unabhängige Gewerkschaftsbewegung mundtot zu machen, waren in Mexiko, Panama und Venezuela an der Tagesordnung.

Im Jahr 2024 haben bewaffnete Banden, die in Haiti Terror und Chaos verbreiten, ihre koordinierten Angriffe auf staatliche Einrichtungen verstärkt und die Kontrolle über die Bevölkerung ausgeweitet. Die haitianische Regierung hat den Ausnahmezustand verhängt, und die Bedingungen für die Beschäftigten sind nach wie vor äußerst prekär.

In den USA konnten Beschäftigte und Gewerkschaften 2023 jedoch große Erfolge verbuchen. Ein abgestimmter Streik der United Auto Workers (UAW) hat zu Lohnerhöhungen und weiteren Zugeständnissen der Autohersteller in Detroit geführt. Die Beschäftigten von mindestens 385 Starbucks-Filialen haben trotz des erbitterten Widerstands von Seiten des Konzerns für eine gewerkschaftliche Organisierung gestimmt und damit einen Prozess in Richtung Tarifverhandlungen eingeleitet. In historischen Streiks gegen Hollywood-Studios haben Drehbuchautor*innen und Schauspieler*innen und ähnliche Beschäftigte Lohnerhöhungen und Beschränkungen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz durchgesetzt.

Americas
Credit: Saul Loeb / AFP

With a rating of 3.56, the Americas is the deadliest region in the world for trade unionists and almost 90% of countries surveyed violated the right to strike. However, in the USA, despite fierce resistance from the company, the staff of at least 385 Starbucks locations voted to unionise.

Europa

Obwohl Europa in Bezug auf Arbeitnehmerrechte häufig als Vorbild gilt, hat sich das durchschnittliche Rating der Region gegenüber dem Vorjahr von 2,56 auf 2,73 verschlechtert, was Rückschritte auf dem Gebiet der Arbeitsbedingungen und der Arbeitnehmerrechte widerspiegelt. In den nordischen Ländern hat es während des vergangenen Jahres konzertierte Angriffe auf die Grundpfeiler der Sozialdemokratie und kontinuierliche Versuche, das Recht auf Streik und Protest zu untergraben, gegeben. Rechtsgerichtete Bewegungen, die von Natur aus arbeitnehmerfeindlich sind, haben eine regressive Politik gegen Gewerkschaften und Beschäftigte ermöglicht und gefördert.

Wie die Daten zeigen, und im Gegensatz zu seinem Ruf als globaler Vorkämpfer für die Arbeitnehmerrechte, hatte Europa in den letzten zehn Jahren die größte Verschlechterung zu verzeichnen, von 1,84 im Jahr 2014 auf 2,73 im Jahr 2024. Dieser anhaltende Abstieg zeigt, dass das europäische “arbeitnehmerzentrierte“ Sozialmodell von Regierungen und Unternehmen aktiv und immer rascher demontiert wird, was schwerwiegende Folgen für die Beschäftigten in der Region hat und die Gefahr birgt, dass dadurch ein globaler Wettlauf nach unten ausgelöst wird.

Die Ratings von Finnland, Kirgisistan, der Russischen Föderation (seit dem letzten Rating im Jahr 2021) und der Schweiz haben sich verschlechtert, während Rumänien sein Rating verbessert hat.

Zu der allgemeinen Verschlechterung in der gesamten Region beigetragen haben die Kriminalisierung von Streiks und die Stigmatisierung Streikender in Belgien und Frankreich sowie die Verwendung einer übermäßig breit gefassten Definition wesentlicher Dienste, mit der Streiks in Albanien, Ungarn, Moldawien, Montenegro und dem Vereinigten Königreich eingeschränkt oder verboten wurden.

In Armenien und Polen haben Arbeitgeber in Gewerkschaftswahlen eingegriffen, und in Armenien, Griechenland, den Niederlanden und Nordmazedonien wurden sogenannte gelbe Gewerkschaften gegründet, die eine unabhängige Vertretung der Beschäftigten vereiteln sollen.

In Schweden hat Tesla Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft IF Metall abgelehnt, was im Oktober 2023 zu Streiks und einer nie dagewesenen Solidaritätsbekundung der Gewerkschaften in Schweden und den Nachbarländern geführt hat, um eine zentrale Stütze des nordischen Sozialmodells zu schützen.

In Bulgarien hat der Gewerkschaftsbund CITUB (oder KNSB) nach 25-jährigem Ringen durchgesetzt, dass jeder Arbeitgeber, der Gewerkschaftsrechte verletzt, strafrechtlich verfolgt werden kann. Die Gewerkschaften haben die Einführung der Sanktionen als wirksamen Schutz für Beschäftigte und Gewerkschaftsmitglieder begrüßt.

Europe
Credit: Jessica Gow / TT News Agency via AFP

Europe’s average rating worsened from 2.56 to 2.73 in 2024, continuing a long-term deterioration from its rating of 1.84 in 2014. Workers’ rights were further eroded across the continent, including in Sweden where members of the IF Metall union were forced to take strike action for a collective bargaining agreement at Tesla’s manufacturing plant.

Der weltweite Kampf für grundlegende Rechte und Freiheiten

Die Lektüre des diesjährigen Berichts ist alles andere als erbaulich. Der Index ist ein dringender Weckruf, der deutlich macht, dass die Zukunft der Demokratie und die von den meisten Ländern international vereinbarten Grundrechte ernsthaft in Gefahr sind.

Auch wenn es selbst in den schlimmsten Regionen gewisse Anzeichen für eine Besserung der Lage gibt, so zeigt das Gesamtbild doch einen unerbittlichen Angriff auf die bürgerlichen Freiheiten und die Interessen der arbeitenden Bevölkerung. All dies geschieht vor dem Hintergrund einer katastrophalen Lebenshaltungskostenkrise in einer Zeit des technologischen Umbruchs mit rasanten Veränderungen in der Arbeitswelt.

Konflikte auf der ganzen Welt, wie in Haiti, Israel, Palästina, der Russischen Föderation, im Sudan, in der Ukraine und im Jemen, haben diese Situation noch verschlimmert und machen es den Gewerkschaften so gut wie unmöglich, ihre Arbeit zum Schutz der Beschäftigten ungehindert zu verrichten, und arbeitende Familien haben fast keine Möglichkeit, sich eine Existenzgrundlage zu verschaffen, da sie mit den verheerenden Folgen eines Krieges konfrontiert sind.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind das schlagende Herz der Demokratie, und ihre Stimme ist entscheidend für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit demokratischer Systeme. Sobald ihre Rechte verletzt, eingeschränkt und untergraben werden, steht umgekehrt die Demokratie selbst auf dem Spiel.

Angesichts der vielen Wahlen, die in diesem Jahr weltweit anstehen, zielt die IGB-Kampagne “Für Demokratie“ auf die Verteidigung und den Schutz der Säulen der Demokratie gegen rechte Interessen ab, denen es darum geht, den Beschäftigten ihre Freiheiten und grundlegenden Menschenrechte zu nehmen, sei es für den eigenen Machterhalt oder für die Gewinnmaximierung von Unternehmen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung.

Dieser Bericht erzählt auch von den mutigen und heldenhaften Aktionen von Beschäftigten und Gewerkschaftsmitgliedern, die sich oftmals unter größten Gefahren darum bemühen, das Leben ihrer Kolleginnen und Kollegen zu verbessern und demokratische Rechte zu verteidigen. Ob am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft oder weltweit: Diesen Kampf führen wir gemeinsam. Es ist offensichtlich, dass die internationale Gewerkschaftsbewegung, die sich für den Schutz demokratischer Werte und der ihnen zugrunde liegenden Rechte einsetzt, weiterhin eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung einer gerechteren und sichereren Welt für alle spielen muss.

haiti
Credit: Clarens Siffroy / AFP

In Haiti, rated 5+, all law and order collapsed as armed gangs spread terror and carried out coordinated attacks on state institutions. Civilians have been exposed to kidnappings, sexual and gender-based violence, unlawful killings and attempts by armed groups to recruit children.